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Elisabeth Naurath mit Studierenden in Afrika | Foto: privat ? Universit?t Augsburg
Elisabeth Naurath am Ring of Peace in Lindau | Foto: privat ? Universit?t Augsburg
Elisabeth Naurath spricht bei "Religions of Peace" | Foto: privat ? Universit?t Augsburg

Elisabeth Naurath ist Theologin und Religionsp?dagogin. Seit 2013?Professorin für Evangelische Theologie mit Schwerpunkt Religionsp?dagogik und Didaktik des Religionsunterrichts der Universit?t Augsburg, arbeitet sie mit dem Schwerpunkt Friedensbildung und interreligi?se Bildung. Sie gründete?das Friedensp?dagogische Zentrum für interreligi?se Bildung und engagiert sich vielseitig in verschiedenen interdisziplin?ren Gremien und interreligi?sen Organisationen. So ist sie u.a. Mitglied der internationalen Nichtregierungsorganisation ?Religions for Peace“.(RfP)?Sie wurde im M?rz 2021 zur Vorsitzenden von RfP Deutschland gew?hlt.

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Ein Interview mit Elisabeth Naurath

Frau Professor Naurath,?Sie wollten Pfarrerin werden, wie kam es dazu, dass Sie die universit?re Laufbahn eingeschlagen haben?

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Zun?chst war da die Motivation, evangelische Theologie zu studieren?und?im Rahmen eines universit?ren Studiums kritisch meinem Glauben nachzufragen. Ich wollte wissen, was wirklich dran ist. Direkt nach der Examensprüfung wurde ich gefragt, ob ich nicht als wissenschaftliche Mitarbeiterin an die Uni Augsburg gehen und promovieren wolle. Das war für mich dann eine sehr gute Option, um tiefer in mein ?Lieblingsfach‘ Seelsorge einzusteigen.

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Was war das Thema Ihrer Promotion?

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Mein Thema lautete ?Seelsorge als Leibsorge. Perspektiven einer leiborientierten Krankenhausseelsorge“. Ich habe mich schon immer sehr für die Themen K?rper und Gesundheit interessiert und hierbei die Zusammenh?nge von Leib und Seele als besonders spannend gefunden. Daher habe ich nach meiner klinischen Seelsorgeausbildung ehrenamtlich in der Klinikseelsorge am Zentralklinikum Augsburg mitgearbeitet und die praktischen Erfahrungen und Erkenntnisse zu meinem Forschungsthema gemacht. Dass gerade in der Situation des Krankseins der K?rper auch für die Seele quasi sich selbst thematisiert, hat mich zu der Entdeckung gebracht, dass Seelsorge auch immer die leibliche Seite des Menschen mit einbeziehen sollte. Mein Ziel war es, dies für die Praxis jeder Seelsorgearbeit aufzuzeigen.

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Was sagt Ihr privates Umfeld zu Ihrem Beruf?

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Von meinem Elternhaus her bin ich eher nicht religi?s sozialisiert worden und bin von daher schon lange geübt, meine evangelische Position klar, aber auch dialogisch vermittelnd zu vertreten. Vielleicht hat das zu einer starken Betonung des Freiheitsverst?ndnisses geführt, so dass ich gerne in den Dialog mit anderen Weltanschauungen und Religionen trete.

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Für mein?nichtakademisches?Umfeld in der Jugend war es?überraschend und auch irritierend, dass ich Professorin geworden bin. Meiner Erfahrung nach ist es wichtig, solche Grenzziehungen, die unser Denken und unsere M?glichkeiten beschr?nken, sehr kritisch zu hinterfragen. Dabei geht es durchaus nicht nur um einengende Geschlechterbilder, sondern auch um soziale Vorurteile - auf beiden Seiten, also zwischen den ’Studierten’ und den ’Nicht-Studierten’. Ich habe diese Klischees immer wieder erlebt und versuche dagegen zu steuern, zumal diese Vorurteile auch Bildungsungerechtigkeiten generieren.?

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Worauf sind Sie besonders stolz?

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Bei dieser Frage fallen mir sofort meine drei Kinder ein und dass wir es als Familien-Team gut hinbekommen haben, ein sehr nahes und partnerschaftliches Familienleben zu führen und trotzdem jedem und jeder den Freiraum für Eigenes zu geben. Da ich seit über zehn?Jahren alleinerziehend bin, bin ich im Nachhinein sehr glücklich darüber, dass die Vereinbarung von Familie und Beruf trotzdem gut geklappt hat. Gerade weil das nicht immer leicht war, bin ich sehr dankbar, dass mich meine Kinder auf meinem Weg immer unterstützt haben und wir uns gemeinsam unterwegs sehen.

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Hatten Sie gro?e Widerst?nde zu überwinden in Ihrer beruflichen Laufbahn? Gibt es ein einschneidendes Ereignis, an dass Sie sich erinnern?

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Das einschneidendste Ereignis war in der Tat die Scheidung, weil ich mich seit diesem Zeitpunkt ganz neu aufstellen und orientieren musste. Das hat konkret bedeutet, dass ich im Vergleich zu meinen Kollegen immer selbst für Unterstützungsstrukturen sorgen musste, um gut und erfolgreich weiter arbeiten zu k?nnen. Etwas provokant gesagt: Ich hatte keine Frau, die mir einmal die Kinder und den Haushalt abnehmen konnte. Besonders belastend waren die organisatorischen Schwierigkeiten mit Blick auf die h?ufigen Dienstreisen, die vor der Corona-Zeit wie selbstverst?ndlich zu meinem Beruf dazugeh?rten.

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Wer sind Ihre Vorbilder?

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Vorbilder sind für mich mit Sicherheit die Biografien starker Frauen, die immer selbstverst?ndlich neben den Kindern auch auf ihr eigenes Recht und ihre Freiheit zum Arbeiten pochten. Hier war für mich Elisabeth Moltmann-Wendel sehr wichtig, die noch zu einer Zeit, als Pfarrfrauen Berufsverbot hatten, trotz ihrer vier Kinder theologisch weitergearbeitet und zahlreiche Bücher geschrieben hat. Leider war es als Frau ihrer Generation kaum m?glich, zu jener Zeit selbst eine eigene Professur zu bekommen. Vorbild war für mich aber auch mein Doktorvater, Prof. L?mmermann, der die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch als Chef unterstützt hat, mich ermutigt und mir auch in anstrengenderen Familienphasen den Freiraum zur Forschung erm?glicht hat.?

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Was für eine Bedeutung hat Religion/Religiosit?t für Jugendliche in unserer Gesellschaft?

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Obwohl wir in einer s?kularen Gesellschaft leben, die bei einer deutlich sinkenden Kirchenbindung der jungen Generationen das Ph?nomen von Religiosit?t weniger bedeutsam erscheinen l?sst, glaube ich, dass sowohl Kinder wie auch Jugendliche für ihr Leben sehr wichtige Sinn- und Lebensfragen stellen. Mit ist es wichtig, das Recht auf religi?se Bildung zu betonen, um eben diese für jeden Menschen wichtigen existenzialen Lebensfragen auch mit kompetenten Gespr?chspartnern/Gespr?chspartnerinnen an den Schulen im Religionsunterricht diskutieren zu k?nnen. Für Heranwachsende ist es wichtig, hier mit der Hilfe von guten religi?sen Bildungsangeboten eine eigene Orientierung zu finden und vor allem im gesellschaftlichen Konzert der Lebenseinstellungen Dialog- und Pluralit?tsf?higkeit zu lernen.?

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Wie sehen Sie die Rolle der Religionsp?dagogik in der Gesellschaft?

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Die letzte evangelische Denkschrift für den Religionsunterricht ?Religi?se Orientierung gewinnen‘ (2014), an der ich mitgearbeitet habe, betont die Pluralit?tsf?higkeit als Bildungsziel religionsp?dagogischen Handelns in der gegenw?rtigen gesellschaftlichen Situation. Gerade die Schule ist für mich so ein Kristallisationsort, an dem sich gesellschaftliche Transformationsprozesse widerspiegeln. Das bedeutet, dass wir hier im Kontext vieler Weltanschauungen und Religionen Gespr?chsf?higkeit und die Bereitschaft zum Dialog lehren sollten, so dass man einerseits zu einer eigenen Einstellung und Haltung finden und andererseits anderen Positionen gegenüber wertsch?tzend, aber auch kritisch sein kann. Das verstehe ich als eine zentrale friedensp?dagogische Aufgabe in der Religionsp?dagogik als Fach von der frühkindlichen Bildung über die Schulbildung bis hin zur Altenbildung.

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Sie sind als Delegierte der Bundesrepublik Deutschland ins Leitungsgremium (Board) von Religions for peace Europa berufen worden? Was sind Ihre Aufgaben und wo sehen Sie M?glichkeiten dieser Organisation?

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Seit einem halben Jahr engagiere ich mich auf internationaler Ebene für die Neustrukturierung der Arbeit von ?Religions for Peace Europa‘ und versuche im Konzert von unterschiedlichen religi?sen, aber auch nationalen und kulturellen Vorstellungen der Mitgliedsl?nder, einen europ?ischen Einigungsprozess voranzutreiben, der bei allen Unterschieden das gemeinsame Friedensinteresse betont. Als neugew?hlte Vorsitzende von ?Religions for peace Deutschland‘ liegt mir sehr daran, das Friedenspotential der Religionen und des interreligi?sen Dialogs für unsere Gesellschaft deutlicher sichtbar zu machen.

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Mich leitet hierbei das Motto der Weltkonferenz in Lindau von 2019 ?Caring for Our Common Future“. Ich denke, dass alle Religionen – und das verstehe ich auch geschlechter- und generationenübergreifend – nur im gemeinsamen Dialog und im Miteinander vorankommen werden, sich für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen (?Saving Mother Earth‘) und eine gerechtere Gesellschaft einzusetzen. Das Profil meines Faches, n?mlich Friedensp?dagogik auf dem Weg interreligi?ser Bildung voranzubringen, bedeutet für mich, dass ich sowohl mit Blick auf die Forschung als auch auf die Lehre, aber auch auf den Wissenstransfer in die Gesellschaft meine Optionen nutzen m?chte, mich für den sozialen Frieden im Zusammenleben der Weltanschauungen und Religionen zu engagieren.

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Was für Projekte stehen hier in der n?heren Zukunft an?

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Als frischgew?hlte Vorsitzende von ?Religions for peace Deutschland‘ wie auch im Board von ?Religions for peace Europa‘ stehen zun?chst Umstrukturierungsprozesse an, die uns eine gute Basis für gemeinsames Handeln geben k?nnen. Neben diesen organisatorischen und strukturellen Themen ist mein eigentliches Ziel, die inhaltlichen Themen und Handlungsfelder, die auf der Weltkonferenz als ?action points‘ verabschiedet wurden, auch mit konkretem Leben zu füllen und in die Tat umzusetzen: Hierbei sind mir besonders Fragen eines gerechteren Zusammenlebens in der Gesellschaft wichtig (besonders mit Blick auf Bildungsungerechtigkeiten, aber auch dem harmonischeren Zusammenleben von M?nnern und Frauen im Sinne einer Optimierung der Bildungschancen beider Geschlechter).

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Ein Schwerpunkt meiner Arbeit soll in den kommenden Jahren mit dem Forschungsprojekt ?Religionen und Natur“ verbunden sein, d. h., dass ich eine besondere Chance darin sehe, dass die Religionen ihr gemeinsames Interesse am?Umweltschutz, der?Erhaltung der Biodiversit?t wie auch der?Würde von Tieren entdecken. Hier sehe ich eine Synergie der Bejahung von Diversit?t der Religionen und der Bio-Diversit?t des Lebens im Ganzen.

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Was würden Sie gerne noch ins Leben rufen/realisieren??

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Ich habe viele Visionen, die nicht nur Tr?ume bleiben sollen: Wenn ich mit der Lehramtsbildung beginne, dann hoffe ich, dass in Zukunft Lehramtsstudierende aller F?cher die M?glichkeit haben k?nnen, eine Grundbildung im interreligi?sen?Lernen schon im Studium zu erlangen, die beispielsweise auch mit einer Pr?ventionsarbeit gegen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit verbunden ist. Ich glaube einfach, dass Lehrkr?fte hier mehr grundlegende Kompetenzen brauchen, um am Lern- und Lebensort Schule den interreligi?sen und interkulturellen Konflikten eines Zusammenlebens im pluralen Kontext mit friedensp?dagogischem und mediatorischem Wissen und K?nnen begegnen zu k?nnen.

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Ein weiteres Ziel w?re für mich, dass konkret an den Schulen Lernwerkst?tten für interreligi?se Bildung eingerichtet werden, so dass hier sowohl die Schüler und Schülerinnen des Religions- wie auch des Ethikunterrichtes in Kooperationsprojekten miteinander über ihre unterschiedlichen Vorstellungen sprechen und gemeinsam eine dialogische Haltung der Wertsch?tzung erarbeiten k?nnen. Das sehe ich in der Tat als evidenten Beitrag zur Demokratiebildung.

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Im Weiteren w?re eine gro?e Vision von mir, die interreligi?se Bildungsarbeit unterschiedlichster Institutionen und Organisationen st?rker miteinander zu vernetzen und mit Blick auf zentrale Zukunftsziele (wie beispielsweise zum Klimawandel als theologische Aufgabe zur Bewahrung der Sch?pfung) optimieren zu k?nnen. Das gr??te Ziel w?re eigentlich, dass alle Menschen unterschiedlicher Weltanschauungen und Religionen von klein auf lernen, die Verschiedenartigkeit ihrer Pr?gungen, Kontexte und Lebensorientierungen in gegenseitiger Wertsch?tzung sehen zu k?nnen und sich auf der Basis erworbener Kompetenzen zur Dialog- und Pluralit?tsf?higkeit miteinander für gemeinsame Ziele einsetzen zu k?nnen.

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Wie sehen Sie die Rolle Stadt Augsburg mit ihrer Tradition im Prozess der Friedensbildung?

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Die Stadt Augsburg als Friedensstadt zu profilieren ist mir ein besonderes wichtiges Anliegen: Gerade weil die Zusammensetzung der Bev?lkerung in Augsburg mit Blick auf die unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen so heterogen ist, kann die Stadt eine Vorreiterrolle in friedensp?dagogischer Hinsicht einnehmen. Besonders wichtig w?re es mir hier, die ?kologischen Ziele mit den friedensp?dagogischen Zielen interreligi?sen Dialogs in Verbindung zu bringen. Auch eine gegenseitige Fruchtbarmachung von wissenschaftlicher Forschung und gesellschaftlichem Engagement ist mir ein zentrales Anliegen. Ganz konkret wünsche ich mir für die Zukunft auch, dass unsere muslimischen Kinder und Jugendlichen ein Angebot religi?ser Bildung in ihrer eigenen Religion, also in einem bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht, bekommen k?nnen und mit Hilfe eines gleichwertigen Angebots an den Schulen zum einen besser integriert werden und zum anderen auch interreligi?se Dialogprojekte leichter umsetzbar werden. Da wir hierfür weit mehr Religionslehrkr?fte im Bereich der islamischen Religionsp?dagogik ausbilden müssten als bisher, habe ich pers?nlich die Vision, dass gerade in der Friedensstadt Augsburg zukünftig auch ein Studiengang für islamische Religionslehrkr?fte angeboten werden k?nnte.

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